An einem kalten Februarabend steht ein Mann an einem Zebrastreifen. Er denkt an seine kleine Tochter, die zu Hause auf ihn wartet. Als die Ampel auf Grün springt, betritt er die Straße – und in diesem Moment rast ein weißer SUV mit hoher Geschwindigkeit an ihm vorbei. Wie wird der Mann reagieren? Mit Überraschung? Mit Wut?
Doch wenn dieser Mann der Fahrer wäre, sähe die Situation anders aus. Anstatt bei gelber Ampel abrupt zu bremsen, könnte er es als vernünftig erachten, die Geschwindigkeit zu erhöhen und die Kreuzung zu überqueren.
Dieselbe Person kann also je nach Situation eine andere Position einnehmen.
Das ist der ‚Actor-Observer-Bias‘ (Handlungs-Beobachter-Verzerrung).
Oft wird diesem Bias die Bedeutung von Objektivität, Fakten und Wahrheit zugeschrieben, die an Daten haften.
Dies beinhaltet unter anderem Folgendes:
- Handelt es sich um eine empirische Tatsache?
- Empfinden alle Menschen dasselbe?
Doch dieser Aspekt führt dazu, dass ‚verschiedene Fakten‘, die hinter den statistischen Ergebnissen verborgen sind, nicht erkannt werden.
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Die Handlungs-Beobachter-Verzerrung ist eine kognitive Verzerrung. Sie bezeichnet die Tendenz, bei eigenen Handlungen situative Faktoren zu berücksichtigen, während man das Verhalten anderer mit deren Persönlichkeit oder Intentionen erklärt.
Auch im Entscheidungsprozess von Unternehmen zeigt sich diese Verzerrung.
A. Bei der Planung von Umfragen werden Fragen erstellt, die sich auf die Überprüfung des Werts von Produkten und Marken konzentrieren, oder
B. bei der Produktplanung wird den Gesprächspartnern nahegelegt, den Fokus auf ‚Produkte‘ in alltäglichen Szenarien zu legen, oder
C. bei der Berichterstattung über die Ergebnisse der gesammelten Daten werden diese in einem Text zusammengefasst, der auf die Absichten der Entscheidungsträger ausgerichtet ist.
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Effektive Gegenmaßnahmen sind folgende:
- Cross-funktionale Teams: Die Expertise bleibt erhalten, aber es wird eine Struktur geschaffen, in der innerhalb der Teams unpolitische Meinungen ausgetauscht werden können.
- Stärkung des Feedback-Loops: Es ist wichtig, ein System zu etablieren, in dem Feedback von Kunden und Mitarbeitern in Form von partizipativen Workshops umfassender geprüft wird.
- Feldforschung mit tatsächlichen Nutzern: Es ist wichtig, sich auf den Aufbau erster Daten zu konzentrieren, um zu überprüfen, in welchen Momenten und mit welcher Bedeutung Produkte oder Dienstleistungen im Alltag der Menschen auftauchen.
Der Mensch steht im Mittelpunkt, der kundenorientierte Ansatz ist ein Wert, den viele Unternehmen betonen. Doch auch wenn Unternehmen Kundenorientierung anstreben, können die Entscheidungsträger als Menschen selbst dem Handlungs-Beobachter-Bias erliegen. Die Frage, welche ‚verschiedenen Realitäten‘ die Beteiligten in ihren Entscheidungsmomenten möglicherweise übersehen, kann in jedem Prozess hilfreich sein.
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